Biblische Grabstätten

Im Nahen Osten finden sich zahlreiche Gräber und Gedenkstätten biblischer Propheten und Personen. Doch Archäologen oder biblische Aussagen widersprechen teils den Traditionen der unterschiedlichen Religionen, wo sich die Orte angeblich befinden. Um einige der Stätten gibt es auch Streit zwischen den Palästinensern, der islamischen Behörde Waqf und Israel.  Für Christen weltweit gehört die Grabeskirche in Jerusalem zu den bedeutendsten Heiligtümern. Sie glauben, dass sich dort das Grab Jesus Christus befindet, so ist es historisch überliefert. Eine andere Theorie verortet das Grab Jesu in eine Grabhöhle nördlich des Damaskustors. Diese unter dem Namen Gartengrab bekannt gewordene abstruse Theorie spielt auf die Grablegung Jesu nach Joh 19,41f an, ist aber historisch nicht haltbar. Sechs christliche Konfessionen, Angehörige, der griechisch-orthodoxen, katholischen, armenischen, koptischen, syrisch-orthodoxen und äthiopischen Konfession, hingegen leben und beten in der Grabeskirche. Im Neuen Testament finden sich zwar nur wenige Hinweise zum Ort der Kreuzigung und Grablegung Jesu.  Was man jedenfalls zu wissen glaubt, ist, dass die Kreuzigung außerhalb der Stadtmauern, an einer Stelle mit dem Namen "Golgatha" (Schädelhöhe) und in der Nähe eines Gartens geschah. Ob die Grabeskirche sich genau dort befindet, wo Kreuzigung und Grablegung Jesu stattgefunden haben, ist umstritten. Von den möglichen Orten für Golgatha und das Grab Jesu ist jener der Grabeskirche aber der überzeugendste. Die Grabeskirche liegt heute zwar innerhalb der Altstadtmauern Jerusalems, doch konnten archäologische Untersuchungen belegen, dass der Golgotafelsen sich in der Antike als Teil eines Steinbruchs außerhalb der damaligen Stadtmauern befand.


Eine weitere Uneinigkeit besteht bei dem Grab Abrahams, des Stammvaters Israels. Der Tradition zufolge ruhen die drei Erzväter Abraham, Isaak und Jakob, sowie ihre Frauen Sara, Rebekka und Lea in der Höhle Machpela in Hebron im Westjordanland, auch als  Grab der Patriarchen bekannt.  Das Neue Testament verortet dieses Grab jedoch in Sichem (Samarien), dem heutigen Nablus.  Apostelgeschichte 7,16: Man brachte sie nach Sichem und bestattete sie in dem Grab, das Abraham von den Söhnen Hamors in Sichem für Silbergeld gekauft hatte.


Abraham gilt auch als Stammvater der Araber; von seinem Sohn Ismael soll der Prophet des Islam, Mohammed, abstammen. Der Islam kennt viele der biblischen Personen, was ihnen wiederum eine gewisse Legitimation verleiht. So ist Adam >Ādam, Noah > Nūh, Abraham > Ibrāhīm, Lot > Lūṭ, Mose > Mūsā, Henoch > Idrīs,  Jesus von Nazaret > ʿĪsā ibn Maryam u. s. w.

Adam: In einer christlichen Überlieferung wird das Grab Adams auf Golgatha verortet. Das Kreuz Jesu soll über dem Grab Adams errichtet worden sein. Daher wird auf sehr vielen Kreuzigungsdarstellungen am Fuß des Kreuzes der Totenschädel Adams gezeigt (siehe linkes Bild: die Kreuzigung - Gemälde von Albrecht Dürer).  In den Pseudepigrafen, genauer in der Apokalypse des Moses, wird erzählt , dass Adam nach Gottes Anordnung zusammen mit seinem Sohn Abel im Paradies begraben wurde, an jenem Ort, an dem Gott den Staub gefunden, woraus er Adam bildete. Auch Eva wurde auf ihre Bitte hin dort begraben.


Über den Ort der ursprünglichen Grabstätte Adams gibt es noch weitere Angaben. Eine islamische Überlieferung lokalisiert die Grabstätte  am Berg Abū Qubais in Mekka. Nach einer anderen bekannten Überlieferung aus der syrisch-aramäischen Schatzhöhle , einer Sammlung apokrypher Schriften der frühen Syrischen Kirche des 6. Jahrhunderts brachte Noah bei der Sintflut den Sarg Adams in die Arche und begrub ihn nach dem Ende der Flut in Jerusalem. Nach der schiitischen Überlieferung begrub Noah Adam nicht in Jerusalem, sondern in Nadschaf, wo sich auch das Grab vonʿAlī ibn Abī Tālibs, dem Schwiegersohn des Propheten Mohammed befindet. Auch der berberische Rechtsgelehrte Ibn Battūta (geboren 1304; gestorben 1368 oder 1377) berichtete, dass in dem Ali-Mausoleum auch die Gräber Adams und Noahs gezeigt werden.


In der Übersetzung der Bibel ins Lateinische, die sogenannte Vulgata durch Hieronymus, lateinischer Kirchenvater, Theologe und Schriftsteller der Christenheit, wird Hebron als der Ort der Grablege Adams angegeben, und zwar wegen Jos 14,15: Hebron hieß früher Kirjat-Arba (Stadt des Arba); Arba war der größte Mann unter den Anakitern. Danach war der Krieg zu Ende und das Land hatte Ruhe. Hieronymus übersetzt den Text folgendermaßen: Hebron wurde vorher Cariatharbe genannt. Adam, der größte unter den Enakitern ist dort begraben. Und das Land ruhte von den Kriegen. Hieronimus übesetzt Arba mit Adam. Von Adam ist im Buch Josua aber keine Rede, doch seine Kenntnis des Hebräischen hat Hieronymus vielleicht dazu verführt, ein hebräisches Wort, das wie Adam klingt, so wiederzugeben. Ein anderer Grund für diese Übersetzung  könnte die  Haggadische Auslegung der Genesis, der Midrasch Bereschit Rabba sein, die Hieronymus sicherlich kannte Hier heißt es zu Kirjath Arba: der Ort hieß so, weil daselbst die vier gerechten Väter der Welt begraben lagen, nämlich Adam, Abraham, Jichzak und Jacob. 


Moses: Nabi Musa ist eine muslimische Kultstätte und Pilgerherberge in Palästina, die sich auf einem Plateau in der Judäischen Wüste an der Straße zwischen Jerusalem und Jericho befindet. Der Komplex besteht aus einem Mausoleum, mit einem Kenotaph (Scheingrab ohne sterbliche Überreste) und einer um das ursprüngliche Gebäude errichtete Pilgerherberge ("Maqam") aus dem 15. Jhdt. Der Islamischen Überlieferung nach soll hier der biblische Prophet Mose(s) (hebräisch; Mūsā) begraben sein. Dagegen spricht aber, dass nach biblischer Tradition Mose nach der langen Wüstenwanderung nicht ins gelobte Land einziehen, sondern es vor seinem Tod vom Berg Nebo aus nur einmal schauen durfte. Der Ort von Moses Begräbnisstätte ist nicht bekannt. Im Deuteronomium (= Fünftes Buch Mose) wird der letzte Tag im Leben seiner Hauptperson Mose beschrieben. Mose verbringt diesen Tag mit Reden an das versammelte Volk Israel, das sich auf die Überquerung des Jordan und die Eroberung des von seinem Gott JHWH verheißenen Landes vorbereitet. Mose wird daran nicht mehr beteiligt sein. 5. Mose 34,1-6: 1 Und Mose stieg von den Steppen Moabs auf den Berg Nebo, den Gipfel des Pisga, der Jericho gegenüber liegt. Und der HERR ließ ihn das ganze Land sehen: das ⟨Land⟩ Gilead bis nach Dan 2 und das ganze ⟨Land⟩ Naftali, das Land Ephraim und Manasse und das ganze Land Juda bis zum westlichen Meer 3 und den Süden und den Umkreis ⟨des Jordan⟩, die Steppe von Jericho, der Palmenstadt, bis ⟨hin nach⟩ Zoar. 4 Und der HERR sprach zu ihm: Das ist das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen habe, indem ich sprach: Deinen Nachkommen werde ich es geben. Ich habe es dich mit deinen Augen sehen lassen, aber du sollst nicht nach dort hinübergehen. 5 Und Mose, der Knecht des HERRN, starb dort im Land Moab nach dem Wort des HERRN. 6 Und er begrub ihn im Tal, im Land Moab, Bet-Peor gegenüber; und niemand kennt sein Grab bis auf diesen Tag.

 

Ursprünglich war Nabi Musa auch nur ein Ort, von welchem das Grab Moses gesehen werden konnte. In weiterer Folge wurde Nabi Musa selbst zur Grabstätte Mose.


Um an Moses' Tod zu erinnern, bauten ägyptische Mönche im 3. und 4. Jahrhundert eine kleine Kirche auf dem Berg Nebo. Im 6. Jahrhundert kamen noch ein Kloster und eine weitere Kirche (Basilika) dazu. Im 16. Jahrhundert wurde der Ort verlassen und erst in den 1930er-Jahren wieder entdeckt. 1993 kaufte die Franziskanerkirche das Gelände und restaurierte die erhaltenen und ausgegrabenen Ruinen der vorherigen Kirchen. Die vorsichtigen Ausgrabungen legten sechs Grabmäler in dem Felsen der Kirche frei. 

Noah: In Cizre einer 45 km von der Provinzhauptstadt Şırnak entfernt an der türkisch-syrischen Grenze am Fluss Tigris liegenden türkischen Stadt,  soll sich Noahs Grab befinden. Der antike aramäische Name der Stadt war Gazarta d' Kardū. Unter den Persern hieß sie Gazarta. Natürlich ist es mehr als fragwürdig, ob die Begräbnisstätte authentisch ist. Doch der Berg Cudi, der sich hinter der Stadt Cizre erhebt, ist nach muslimischer Tradition auch der Landeplatz der Arche. Das erste Buch Mose nennt aber den Berg Ararat als Landeplatz der Arche, 1. Mose 8,4:  Und die Arche ließ sich auf dem Gebirge Ararat nieder am siebzehnten Tag des siebten Monats. Welcher Ort ist nun aber mit der biblischen Bezeichnung »Gebirge Ararat« gemeint. Die Bezeichnung Ararat, kommt in der Bibel noch an drei weiteren Stellen vor:

 

  • 2. Könige 19,37: Und als er anbetete im Haus seines Gottes Nisroch, erschlugen ihn mit dem Schwert seine Söhne Adrammelech und Sarezer, und sie entkamen ins Land Ararat.

 

  • Jesaja 37,38:  Als er eines Tages im Tempel seines Gottes Nisroch betete, erschlugen ihn seine Söhne Adrammelech und Sarezer mit dem Schwert. Darauf mussten sie in das Land Ararat fliehen und Sanheribs Sohn Asarhaddon wurde an seiner Stelle König.

 

  • Jeremia 51,27: Errichtet ein Feldzeichen auf der Erde, / stoßt ins Horn unter den Völkern! Bietet Völker zum Heiligen Krieg auf gegen die Stadt, / ruft Königreiche herbei gegen sie! Ararat, Minni und Aschkenas, / hebt Truppen aus gegen sie, lasst Rosse anrücken, / borstigen Heuschrecken gleich!

 

Der Prophet Jeremia meint mit Ararat, Minni und Aschkenas wohl drei biblische Personen. Ein Indiz für diese Annahme findet sich jedenfalls in der Bibel. Aschkenas ist einer der Nachkommen von Noah: Gen 10, 1-3:  Das ist die Geschlechterfolge nach den Söhnen Noachs, Sem, Ham und Jafet. Ihnen wurden nach der Flut Söhne geboren. Die Söhne Jafets sind Gomer, Magog, Madai, Jawan, Tubal, Meschech und Tiras. Die Söhne Gomers sind Aschkenas, Rifat und Togarma.  In den beiden anderen Bibelstellen ist vom Land Ararat die Rede. Damit könnte das antike Königreich Urartu, das an den Norden Assyriens grenzte, gemeint sein. In seiner größten Ausdehnung umfasste es sowohl den heute als Großen Ararat bekannten Vulkankegel (5137 m hoch) in der Osttürkei, nahe der armenischen Grenze als auch den rund 300 km südwestlich gelegenen Berg Cudi an der türkischen Grenze zu Syrien und zum Irak. Der Historiker Flavius Josephus schreibt in seinen Jüdische Altertümer, 1. Buch, 3. Kapitel, Abschnitt 5: Als dann die Arche in Armenien auf dem Gipfel eines Berges stehen geblieben war, öffnete Noah dieselbe und schöpfte, da er einiges Land sah, daraus neue Hoffnung. Nun lagen beide Berge in römischer Zeit noch auf rumänischen Gebiet.  Doch Josephus führt weiter aus: Abschnitt 6 : Es heißt, dass noch jetzt in Armenien auf dem Kordyäergebirge ein Teil jenes Fahrzeuges vorhanden sei, und dass manche Harz davon entnehmen, um sich desselben als Zaubermittels gegen drohende Übel zu bedienen.

 

Die Angabe »Kordyäergebirge« grenzt die Lage des Noahberges weiter ein. Der antike Staat Gordyene lag im nördlichen Mesopotamien, in der heutigen Region Kurdistan. Nach der Encyclopædia Britannica ist Gordiene der antike Name der Region von Bohtan (Provinz Şırnak), einer historischen Landschaft im irakischen und türkischen Kurdistan. Und tatsächlich gibt es dort eine tief in der Geschichte und in den verschiedenen Religionen verwurzelte Tradition, die den Berg Cudi als Landeplatz der Arche Noah ansieht.

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