Die verlorenen Stämme Israels

Das Großreich Israels soll der Bibel zufolge unter den ersten Königen Saul, David und Salomon  zwölf Stämme umfasst haben, bevor es in das Nordreich Israel mit zehn Stämmen und das Südreich Juda mit zwei Stämmen zerbrach. Die biblische Prophetie erfüllt sich erst mit Rückkehr des jüdischen Volkes in das Gelobte Land . Im Alten Testament kündigte Gott durch die Propheten an:  Hesekiel 37, 21-22: 21 Und rede zu ihnen: So spricht der Herr, HERR: Siehe, ich nehme die Söhne Israel aus den Nationen heraus, wohin sie gezogen sind, und ich sammle sie von allen Seiten und bringe sie in ihr Land. 22 Und ich mache sie zu einer Nation im Land, auf den Bergen Israels, und ein einziger König wird für sie alle zum König sein; und sie sollen nicht mehr zu zwei Nationen werden und sollen sich künftig nicht mehr in zwei Königreiche teilen. Auch das Buch Genesis erwähnt die  12 Stämme der Israeliten. Gen 49,1: Jakob segnet vor seinem Tod jeden seiner Söhne: Ruben, Simeon, Levi, Juda, Sebulon, Issachar, Dan, Gad, Ascher, Naftali, Josef und Benjamin. Ebenso wird im Evangelium nach Matthäus  und im Evangelium nach Lukas Bezug auf die 12 Stämme Israels genommen.


  • Mt 19,28: Jesus erwiderte ihnen: Amen, ich sage euch: Wenn die Welt neu geschaffen wird und der Menschensohn sich auf den Thron der Herrlichkeit setzt, werdet ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.


  • Lk 22,30: Ihr sollt in meinem Reich mit mir an meinem Tisch essen und trinken, und ihr sollt auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.


Im Buch Esra etwa heißt es:   „Jeder unter euch, der zu seinem Volk gehört – sein Gott sei mit ihm –, der soll nach Jerusalem in Juda hinaufziehen und das Haus des Herrn, des Gottes Israel aufbauen“.


Die große Einwanderungswelle gegen Ende des 19. Jahrhunderts nennt die jüdische Geschichtsschreibung die „Erste Alija“. Der Begriff stammt aus der Bibel und meint wörtlich den Aufstieg zum Tempel der Heiligen Stadt Jerusalem. Seit dem Babylonischen Exil bezeichnet er die Heimkehr von Juden ins Gelobte Land.  Die heutigen Juden gelten in erster Linie als Nachfahren der Stämme Juda und Benjamin – daher die Bezeichnung „Juden“. Die restlichen zehn Stämme sind seit ihrer Verschleppung durch die Assyrer von der Bildfläche verschwunden. Israel erlebte unter den Königen David und Salomo eine politische und geistliche Blütezeit. Doch unter dem Thronfolger Rehoboam (Sohn des Salomo und Erbauer des ersten jüdischen Tempels in Jerusalem) kam es zum Bruch: Rehoboam hielten nur die Stämme Juda und Benjamin die Treue. Die zehn anderen verweigerten ihm die Gefolgschaft und bildeten im 9. Jahrhundert vor Christus das Nordreich Israel.   

Im 8. Jahrhundert eroberte der Assyrerkönig Sargon II. Samaria, die Hauptstadt des Nordreiches, und verschleppte die Israeliten. Aus dem 5. Jahrhundert vor Christus gibt es noch Nachweise hebräischer Namen in Assyrien. Danach verwischen sich ihre Spuren. Das Südreich Juda mit der Hauptstadt Jerusalem existierte weiter.  Im Jahr 598  v. Chr  konnte Nebukadnezar II Syrien und Palästina. erobern. Im Jahr 597  v. Chr.  eroberte er auch die „Stadt Jerusalem. Die Stadt wurde dabei nicht zerstört.  Die Region wurde in die babylonische Provinz Samarien integriert und damit Teil des neubabylonischen Reiches. später im persischen Großreich die persische Provinz Jehud. Ein Teil der Bevölkerung Judas (v. a. Angehörige der Oberschicht) wurde nach Babylon gebracht.  Verschiedene Bücher des Tanach (Hebräische Bibel, im Christentum das Alte Testament) und eine Keilschriftchronik berichten über diese Ereignisse. Nachdem der von Nebukadnezar II eingesetzte König Zedekia den Treueid gegenüber diesem gebrochen hatte, wurde die Stadt 587/586 v. Chr. ein weiteres Mal von Nebukadnezar II erobert, diesmal aber völlig zerstört. (2. Buch der Könige 24,10-16). Erst unter dem Perserkönig Kyrus durften die verbannten Israeliten in ihr Land zurückkehren. Jerusalem und der Tempel konnten wieder aufgebaut werden. Sie lebten in Israel bis zur Zerstörung des zweiten Tempels und ihrer Zerstreuung durch die Römer im Jahre 70 nach Christus. Nach bisherigen archäologischen Erkenntnissen gibt es jedoch für diese Stammesgeschichte – außer den schriftlichen Überlieferungen – keine historische Grundlage.  Da über weite Strecken die biblischen Texte die einzigen Quellen darstellen und deren Wert für eine historische Auswertung umstritten ist, liegen einige Abschnitte der Geschichte Israels im Dunkeln.  Eine erste außerbiblische Bestätigung dafür gibt die Israelstele des Pharaos Merenptah (um 1210 v. Chr.), welche Israel als Bezeichnung für eine Menschen- oder Völkergruppe verwendet. Was jedoch aus den Verlorenen Stämmen wurde, ist unsicher. Mehrheitlich wird jedoch angenommen, dass die zehn Stämme im Schmelztiegel des assyrischen Reiches aufgingen. Damit wäre eine wörtliche Erfüllung der biblischen Prophezeiungen nicht mehr möglich.

Doch neben diversen abwegigen Theorien über den Verbleib der 12 Stämme gibt es auch einige ernsthafte Hinweise.  Die  äthiopischen Falaschen wurden 1975 als Abkömmlinge des Stammes Dan, eines der zehn verlorenen Stämme Israels, vom israelischen Rabbinat offiziell anerkannt.  Diese Ansicht stützt sich insbesondere auf rabbinische Quellen des Mittelalters.  Die Falaschen praktizierten eine frühe Form des jüdischen Glaubens. Ihre Kultausübungen entsprechen den jüdischen Gebräuchen vor Entstehung des Talmud, was als Beleg für eine jüdische Abstammung gewertet wurde. Eine andere Theorie verortet eine der verlorenen Stämme in das Gebiet des heutigen Usbekistan. Laut antiken Quellen soll ab dem 5. Jahrhundert ein Semitenstamm, die „Nephtaliten“, über weite Teile Zentralasiens geherrscht haben.  Die Herkunft der Nephtaliten ist unbekannt. Die Theorie geht davon aus, dass es sich um den Stamm Naftali handelte. Ein Beleg für diese Theorie sind z. B.  Funde von über 2.000 Jahre alten Tonscherben mit hebräischen Buchstaben, die auf israelitische Herkunft deuten.


Im 5. Jahrhundert  regierte über Teile von Afghanistan, Pakistan und Indien das Volk der Savula. Einige Historiker halten es für möglich das die Savula Nachfahren des israelischen Stamm Sebulon sind. Als Beweis führen sie an, das dieser Volksstamm bis heute jüdisch anmutende Gebräuche bewahrt, teils ohne deren Bedeutung zu kennen. An der östlichen Grenze Indiens, in der Region Manipur, lebt eine Gemeinschaft, die sich „Bnei Menasche“ nennt. Wie der Name schon andeutet, nehmen sie für sich in Anspruch, Israeliten vom Stamm Manasse zu sein. Die Gemeinschaft feiert drei jährliche Feste, die an jüdische Feste erinnern. In einer altertümlichen Legendenerzählung ist außerdem  von einem Roten Meer die Rede, das sich teilt sowie einer Wolkensäule bei Tag und einer Feuersäule bei Nacht, die den Auszug aus dem Heimatland begleitete.  Der damalige sephardische Oberrabbiner Schlomo Amar die Bnei Menasche akzeptierte 2005 die Bnei Menasche als Nachkommen der Verlorenen Stämme und ließ sie nach Israel einwandern. Etwa 4.000 von ihnen leben mittlerweile im jüdischen Staat.  Der afrikanische Stamm der Lemba in Südafrika folgt den jüdischen Speisegesetzen, beschneidet ihre Söhne und vermeidet Mischehen mit anderen Volksgruppen. Ihrer Überlieferung nach wanderten die Lemba vor langer Zeit aus dem Nahen Osten über Arabien nach Afrika ein. Dies bestätigten archäologische Funde ihre Wanderroute von der arabischen Halbinsel nach Südafrika. Des Weiteren zeigten  DNA-Tests dass die Priesterkaste der Lemba ein Gen in sich trägt, das typisch für die jüdische Priesterlinie der Cohanim ist.  Durch DNA-Tests ist die Suche nach den Verlorenen Stämmen  heute nicht mehr so abwegig wie einst, als man noch annehmen musste dass sie für immer verschwunden sind. So wird inzwischen die Theorie vertreten dass die palästinensischen Araber Nachkommen von Hebräern seien.

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