Mappae mundi

Mappae mundi (Weltkarten) werden in der Historischen Geografie  als historische Quellen behandelt. Für die Inhalte der Karten orientierten sich die Autoren vor allem an der Bibelgeschichte, der klassischen Antike zusammen mit der Mythologie und den naturwissenschaftlichen Werken der Antike und des Mittelalters, etwa für exotische Tiere.  Dazu zählt unter anderem  der griechische Mythos eines kriegerischen Frauenvolkes, den Amazonen in Kleinasien ebenso wie die von Alexander dem Großen in Kleinasien eingesperrten mythologischen Völker Gog und Magog, die  in der Bibel als Antichrist (Offb 20,7-10) vorkommen. Gog und Magog sind im Islam unter dem Namen Yaʾdschūdsch und Maʾdschūdsch bekannt. Im Koran wird in Sure 18, Verse 83–98 erzählt, wie der Zweigehörnte, der von der islamischen Tradition teilweise mit Alexander dem Großen gleichgesetzt wird, gegen Gog und Magog kämpfte und sie schließlich besiegte.


Die Ebstorfer Weltkarte ist die bekannteste und mit Abstand größte Weltkarte aus dem Mittelalter. Details zu ihrer Entstehungsgeschichte sind weitestgehend unbekannt. Die 3,5 x 3,5 m große Karte wurde aber wahrscheinlich um 1300 im Kloster Ebstorf (in der Lüneburger Heide) hergestellt.  Dafür spricht der auf der Karte dargestellte bauliche Zustand des Kölner Domes, der recht genau auf die Jahre von 1320 bis um 1325/30 datiert werden kann. Generationenlang lag die Karte unbeachtet in einer Abstellkammer des ehemaligen Benediktinerinnenklosters. Dann, 1830, wurde sie von einer Konventualin des Klosters Ebstorf, Charlotte von Lassberg, wieder entdeckt. Nachdem ein Stück, auf dem das Gebiet des heutigen Indien dargestellt war, mutwillig herausgeschnitten und gestohlen worden war, , wurde die Karte in die Kartensammlung des Historischen Vereins für Niedersachsen eingeordnet. Sie wurde dann bei einem Bombenangriff auf Hannover 1943 leider vollständig zerstört, Anhand alter Faksimileausgaben von 1891 und 1896 konnte 1950-55 eine farbige Nachbildung in Originalgröße in vier Repliken gefertigt werden. Die Karte zeigt das kreisrunde Abbild der bewohnbaren Welt, des „Orbis terrarum" mit den drei Erdteilen Asien, Europa und Afrika. Um die kugelförmige Erdoberfläche schlingt sich der Ozean. Solche  in Klöstern vervielfältigten Radkarten, waren meist nach Osten orientiert.

 Im Osten ging die Sonne auf und in Asien wurde in manchen Radkarten das Paradies verortet. Entsprechend wurde der „wichtigere“ Osten im oberen Kartenteil verortet. Auch in der Ebstorfer Weltkarte liegt Osten oben, Asien umfasst die obere Kreishälfte, Europa und Afrika teilen sich die untere Hälfte, dazwischen erstreckt sich in der Senkrechten das Mittelmeer, von zahlreichen Inseln durchsetzt. Im Zentrum der Karte liegt die Stadt Jerusalem, wie in der Offenbarung Johannes zu lesen, mit einer goldenen Mauer umgeben. Jerusalem ist der Nabel der Welt - Umbilicus Mundi. Im oberen Bereich, links vom Haupt Christi, am Ostrand Indiens ist das Paradies  mit Adam und Eva und die vier Paradiesflüsse dargestellt. Die Arche Noah ist im Gebiet von Armenien, der Turm zu Babel in Mesopotamien, Troja in Kleinasien, Karthago in Libyen und Rom in Italien situiert. Des Weiteren sind auch einige mythologische Szenen zu sehen (unter anderem die Darstellung der Amazonen). Neben Sodom und Gomorrha  steht zu lesen: Diese fünf Städte der Sodomiter sind wegen der Ungerechtigkeit ihrer Bewohner durch ein Feuer, das vom Himmel fiel, vernichtet worden. Einst reicher als Jerusalem, sind sie nun wüst und leer. Dies wird an einer besonderen Art von Obstbäumen augenfällig. Denn darauf wachsen dicke Äpfel, die so reif leuchten, dass man sie unbedingt essen möchte. Wenn du sie aber pflückst, zerbrechen sie, zerfallen zu Asche und Rauch quillt heraus, als hätten sie immer noch Glut in sich. Oberhalb des Kaspischen Meeres sind die von Alexander eingesperrten Völker Gog und Magog zu sehen, welche Menschenfleisch essen und Blut trinken.


So einzigartig die Ebstorfer Weltkarte ist, gehört sie doch zu einer „Familie“ von mappae mundi, die auf gemeinsame Quellen zurückgeführt werden: Neben der Hereford-Karte sind die Karte des Heinrich von Mainz von 1110 und die Karte in einem anonymen Psalter von 1225 bis 1250 zu erwähnen. Die Herford-Karte beispielsweise zeigt mehr geografische Details als andere Radkarten. Indus, Tigris und Euphrat sind dargestellt, der Persische Golf und das (in Rot gemalte) Rote Meer, das Tote Meer mit den versunkenen Städten Sodom und Gomorrha , in das aus dem See Genezareth der Jordan fließt. Jerusalem, unter dem Kruzifix, liegt gemäß Ezechiel V im Zentrum des Erdkreises, und ganz oben ist das Paradies mit den vier Paradiesflüssen als von einer Mauer umgebene Insel abgebildet, darin Adam und Eva sowie der Baum der Erkenntnis; außerhalb, rechts darunter, die Vertreibung. Die Arche Noah, der Turmbau zu Babel, mit besonders ausführlicher Legende, die Flucht der Israeliten durch das Rote Meer  und die Wanderung durch die Wüste finden ebenso Platz wie das Goldene Vlies .

0 - Jerusalem. 1 - Das Paradies. 2 - Ganges und Gangesdelta. 3 - 4 - Indus und Tigris. 5 - Die Gegend des Kaspischen Meeres. 6 - Babylon und der Euphrat / Der Turmbau zu Babel. 7 - Der Persische Golf. 8 - Das Rote Meer (in Rot gemalt). 9 - Noahs Arche. 10 - Das Tote Meer mit den versunkenen Städten Sodom und Gomorrha, in das aus dem See Genezareth der Jordan fließt – darüber Lots Weib, sich umdrehend. 11 - Ägypten und der Nil. 12 - 13 - Darüber: Das Goldene Vlies. 14 - Konstantinopel; links daneben das Donaudelta. 15 - Das Ägäisches Meer / Troja. 16 - Oversized delta of the Nile with Alexandria's Lighthouse. 17 - Ein Skiläufer in Skandinavien. 18 - Griechenland. 19 - Kreta (grob falsch verzeichnet) mit Labyrinth. 20 - Das Adriatische Meer; Italien mit Rom. 21 - Sizilien und Karthago. 22 - Schottland. 23 - England. 24 - Irland. 25 - Die Balearen. 26 - Die Säulen des Herkules (die Straße von Gibraltar).

Gegenüber, am rechten Rand, liegt ein von Monstern bevölkertes Gebiet, von Afrika getrennt durch ein schmales Wasserband (12). Das von einem See zu einem anderen verlaufende Gewässer wird als „Oberlauf des Nil“ beschrieben. Möglicherweise wird mit dem Land aber die  Terra Australis angedeutet. Ein äußerster Ozean umschließt das Ganze. Am linken Blattrand, im Nordnordosten liegen Gog und Magog, Verkörperung des Bösen, das Alexander der Große der Sage nach durch einen Wall von der Menschheit abtrennte, das jedoch vor dem Jüngsten Gericht durch den Satan befreit und durch Christus besiegt wird. In der jüdischen Bibel, beim Propheten Ezechiel (Kapitel 38 und 39) ist Gog der Fürst von Mesech und Thubal und wohnt im Lande Magog. Weiter wird Magog in der Völkertafel als Sohn Jafets und Enkel Noachs genannt. Gog und Magog wurden in der christlichen Bibel, im Neuen Testament, zu zwei Völkern, die am jüngsten Tage mit dem Teufel in den Kampf ziehen, jedoch am Ende vom göttlichen Christus besiegt werden würden. Offb 20 7: Wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan aus seinem Gefängnis freigelassen werden. Er wird ausziehen, um die Völker an den vier Ecken der Erde, den Gog und den Magog, zu verführen und sie zusammenzuholen für den Kampf; sie sind so zahlreich wie die Sandkörner am Meer.


Die Londoner Psalterkarte ist eine mittelalterliche Weltkarte, die in einem liturgischen Buch (Psalter) gefunden wurde. Der Autor ist unbekannt. Jedoch wirkt die Psalterkarte wie eine Kleinausgabe der Ebstorfer Weltkarte. Der Nabel der Welt, das Zentrum der klassischen mappa mundi, ist Jerusalem, wodurch die Bedeutung dieser Stadt für die jüdisch-christliche Heilsgeschichte herausgestellt wird. Im Osten der Karte, also oben, fließen fünf Flüsse aus dem Paradies. Der Autor hat zu den vier in der Literatur erwähnten Flüssen (darunter der Tigris) den Ganges hinzugefügt. Im Paradies sind Adam und Eva zu sehen, zwischen ihnen anzunehmender Weise der Baum der Erkenntnis. Auf einem Berg, neben dem armenie steht, befindet sich die Arche Noah. Nördlich davon (links) sieht man ein Tor, mit dem Alexander wilde Völkerschaften hinter eine Bergkette eingesperrt hat. In der Mitte des Kartenausschnitts sieht man den Schriftzug egyptus, und die Darstellung des Roten Meeres (tatsächlich rot koloriert) weist eine Art Landbrücke nach Norden (nach links) auf. Das legt eine Assoziation mit dem Schilfmeer aus Tanach und Bibel, das Mose beim Auszug aus Ägypten durchquerte,  nahe.

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